prima A. Lektion 32

32 T Äneas verliert seine Frau

Das trojanische Pferd hatte seinen Zweck erfüllt und den Griechen geholfen, die uneinnehmbaren Befestigungsmauern Trojas durch eine List zu überwinden. Die Griechen wüten fürchterlich in der fast voll ständig eroberten Stadt:

Die Vornehmsten der Troianer verteidigten tapfer ihr Vaterland, aber die Griechen waren stärker als die Troianer. Nobilissimi Troianorum patriam fortiter defendebant, sed Graeci fortiores erant Troianis.
Diese widerstanden heftig - aber die Feinde kämpften wilder als die Einwohner der Stadt. Qui acriter resistebant – sed hostes saevius pugnabant quam incolae1 oppidi.
Je heftiger die Troianer widerstanden, desto grausamer töteten die Feinde die Einwohner Quo acrius Troiani resistebant, eo crudelius hostes incolas necabant.
Sie verschonten niemanden und zündeten die ganze Stadt an: Das Feuer, das grausamer ist als das Schwert, richtete alles zugrunde. Nemini pepercerunt et totam urbem accenderunt: Ignis, qui est ferro crudelior, omnia perdidit.
Auch Aeneas, obwohl er seine heimat und sein Haus äußerst tapfer verteidigte, hinderte die Macht der Feinde nicht. Etiam Aeneas patriam et domum suam quam fortissime defendens vim hostium non prohibuit.
Die Götter aber befahlen ihm - nachdem Troia zerstört worden war - eine neue Heimat zu suchen und sein Volk sehr berühmt zu machen. Dei autem eum – Troia relicta – novam patriam quaerere et gentem suam clarissimam reddere iusserunt.
Darum floh er, nachdem das zeichen von den Göttern gegeben worden war, mit seinen Familienangehörigen aus der Stadt. Quare signo a deis dato una cum familiaribus ex oppido fugit: Patrem Anchisam et filium parvum Ascanium ex urbe eduxit. Seinen Vater Anchises und seinen kleinen Sohn Ascanius führte er aus der Stadt
Er hatte befohlen, dass Creusa, seine teuerste Ehefrau, hinter dem Sohn geht. Creusam, coniugem carissimam, post filium ire iusserat.
Aber nachdem er der Gefahr entkommen war, blieb er außerhalb der Stadt stehen. Sed postquam periculum effugit, extra urbem constitit.
Zurückschauend erblickt er Creusa nicht mehr. Da zeigte sich Aeneas sehr tapfer: von heftigem Schmerz bewegt kehrt er allein in die Stadt zurück, eilt durch die zerstörte Stadt, ruft immer seine Frau. Respiciens Creusam non iam conspexit. Tum Aeneas fortissimum se praebuit: Dolore acerrimo commotus solus in oppidum redit, per urbem perditam currit, uxorem saepe vocat.
Aber niemand antwortet. Plötzlich steht der Schatten von Creus vor seinen Augen und sagt: "Aeneas, liebster Ehemann! Dies alles gschiet nicht ohne den Willen der Götter, die wissen, dass du tapferer als andere Männer bist. Sed nemo respondet. Subito umbra Creusae ante oculos stat et: „Aeneas“, inquit, „dulcissime coniunx! Haec omnia non sine numine deorum eveniunt, qui te fortiorem aliis viris esse sciunt.
Du suche neue Wohnsitze: Die Reise wird ziemlich lang und die Mühen recht erheblich, aber du wirst eine Königin als Frau finden und wirst eine sehr mächtige Stadt gründen. Tu quaere sedes novas: Iter longius erit laboresque ingentiores erunt, sed invenies coniugem regiam condesque urbem potentissimam.
Die Götter werden die Bürger dieser Stadt zu Herren über die Völker machen. ich aber werde Troia nicht verlassen. Dei cives huius urbis dominos gentium facient. Ego autem Troiam non relinquam.
Die Götter halten mich in dieser Gegend zurück. Leb' wohl und bewahre die Liebe von Ascanius, unserem gemeinsamen Sohn. Dei in hac regione me retinent. Vale et serva amorem Ascanii, filii communis!“

1 incola Einwohner


32 Z „Pius Aeneas“ - eine andere Sichtweise

Du kennst schon die Geschichte von Äneas (vgl. Lektion 21 und 32). Stell dir vor, die Königin Dido hätte der ersten Gattin des Äneas, Krëusa, einen Brief schreiben können, in dem sie ihre Wut und ihre Enttäuschung zum Ausdruck bringt, dass Äneas sie verlassen hat: Äneas erscheint in ganz anderem Licht.

Dido sagt Creusa einen Gruß Dido Creusae salutem dicit.
Alle nennen Aeneas gottesfürchtig, aber niemand ist unredlicher als jener fromme Aeneas. Omnes Aeneam pium appellant, sed nemo improbior est illo pio Aeneā.
Niemand ist überheblicher, niemand grausamer als der Anführer der Troianer. Nemo superbior, nemo crudelior est quam dux Troianorum.
Denn er hat auch Dich, ehrenwerteste aller Frauen, zurückgelassen, sowie auch mich, die mächtigste aller Königinnen, weil er dem Befehl der Götter gehorchen musste, wie er selbst behauptet. (behauptet hat / contendit: Präs. und Perf. möglich) Nam reliquit et te, honestissimam omnium uxorum, et me, potentissimam omnium reginarum, quod imperio deorum parere debuit, ut ipse contendit.
Die Menschen sagen, dass das Schicksal und die Pflicht schwerwiegender sind als die Liebe, obwohl nichts trauriger ist als die Pflicht, nichts süßer als die Liebe. Homines fatum et officium gravius esse amore dicunt, quamquam nihil tristius est officio, nihil dulcius amore.
Jener tapfere Führer, der es nicht wagt, die Liebe für wichtiger zu halten als die Pflicht, erweist sich als der Armseligste von allen. Ille dux fortis, qui amorem officio praeponere1 non audet, miserrimum omnium se praebuit.
So groß ist die Tugend der Männer! So groß ist der Mut des Mannes, der die mächtigste Stadt gründen wird! Talis est virtus virorum! Talis est animus viri, qui urbem potentissimam condet!

1 praeponere m. Dat. für wichtiger halten als