Die altkirchliche Überlieferung nennt als Verfasser des dritten Evangeliums und der Apostelgeschichte »Lukas, den geliebten Arzt« (vgl. Kol 4,14; Phlm 24; auch 2 Tim 4,11), der Heidenchrist war und mit Paulus in Verbindung stand. Lukas benutzt das Evangelium des Markus und schöpft aus einer mit Matthäus gemeinsamen Sammlung von Jesusworten; er blickt auf den Untergang Jerusalems (70 n. Chr.) zurück (21,20-24) und erwartet die Wiederkunft Christi nicht mehr als unmittelbar bevorstehend (17,20f; 21,24; Apg 1,8). Die Abfassung des Evangeliums (wie der Apostelgeschichte) fällt wohl in die Jahre 8090. Ob es in Kleinasien oder in Griechenland entstanden ist, lässt sich nicht sicher bestimmen.
Lukas legt seinem Evangelium den dreistufigen Aufriss des Markusevangeliums zugrunde und ordnet seinen übrigen Stoff vor allem in zwei Blöcken in diesen Rahmen ein: 6,20 - 8,3 und 9,51 - 18,14. Die »kleine Einschaltung« (6,20 - 8,3) enthält die Bergpredigtüberlieferung; die »große Einschaltung« (9,51 - 18,14) hat er zu einem umfänglichen Bericht über die letzte Reise Jesu nach Jerusalem ausgestaltet (»Reisebericht«). Vorangestellt hat er wie Matthäus eine Vorgeschichte über Herkunft und Kindheit des Täufers und Jesu (Kap. 1 - 2), angeschlossen mehrere Berichte von Erscheinungen des Auferstandenen in und bei Jerusalem (Kap. 24).
Lukas will ein Schriftwerk für gebildete Heiden und Heidenchristen schaffen, wie das kunstvoll gestaltete Vorwort (1,1-4) zeigt. Darin berichtet er, dass schon viele vor ihm die auf Augenzeugen zurückgehenden Überlieferungen über Jesus zusammengestellt hätten, er also verschiedene schriftliche Vorlagen hatte, und dass er allem genau nachgegangen sei, um die Verkündigung der Kirche historisch und theologisch als zuverlässig zu erweisen.
Lukas verdanken wir verschiedene wertvolle Überlieferungen, die sich in den anderen Evangelien nicht finden, darunter die Gleichnisse vom barmherzigen Samariter, vom verlorenen Sohn, vom klugen Verwalter, vom Pharisäer und Zöllner, eine Reihe von urchristlichen Gebeten und Hymnen (Lobgesang Marias: 1,46-55; Lobgesang des Zacharias: 1,68-79; Lobgesang des Simeon: 2,29-32), wichtige Hinweise auf das Verhalten Jesu gegenüber Frauen, Zöllnern und Sündern, auch bedeutsame Einzelzüge des Passionsgeschehens.
Die Sonderüberlieferungen des Lukas stehen im Dienst seiner theologischen Aussagen. Er zeigt in Jesus den Heiland der Verlorenen, der sozial Entrechteten, der Frauen, der Zöllner und Sünder. Jesus offenbarte die Menschenliebe Gottes auf bezwingende Weise. Alle Christen müssen daher ebenso wie Jesus handeln. Wo jemand sich dem Wort Jesu öffnet, wird er zu einem guten und edlen Menschen (8,15). Das Leben des Christen hat seine Mitte in der dienenden Liebe, die auch dem Feind und dem Fremden gilt (6,27-36; 10,25-37) und sich besonders an der Einstellung zu Reichtum und Besitz bewähren muss (12,13-21.33f; 14,12-14; 16,9-13.19-31). Jesus zeigt im Leben und im Sterben, wie sich ein Mensch gut und richtig verhalten soll.
Durch Jesus ist die entscheidende Wende der Heilsgeschichte eingetreten (16,16f). Jesus, nicht der als Friedensbringer verehrte Kaiser in Rom, ist der wahre Heiland der Welt (2,11: »Heute ist euch der Retter geboren«). Darum verknüpfte Lukas die Geschichte Jesu mit der Weltgeschichte (1,5; 2,1f; 3,1f). Der Alte Bund und die Geschichte Israels finden ihre Vollendung in der Kirche Christi, die aus Juden und Heiden besteht.
Mit der Auferstehung Jesu und dem Untergang Jerusalems ist die Epoche der Heidenmission, die Zeit der Sammlung aller Menschen zum einen Volk Gottes angebrochen. Wenn die »Zeit der Heiden« zu Ende ist (21,24), wird auch Israel Jesus als Messias anerkennen (13,35). Das Christusbild des Lukas und sein Aufruf zu sozialem Verhalten sind bis heute maßgebend für die christliche Vorstellung vom Menschen und vom rechten Verhalten in der Gemeinschaft.
Das Vorwort: 1,1-4
1 Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat.
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2 Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.
3 Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben.
2
4 So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.
Die Vorgeschichte: 1,5 - 2,52
Die Verheißung der Geburt des Täufers: 1,5-25
5 Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte. Seine Frau stammte aus dem Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabet.
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6 Beide lebten so, wie es in den Augen Gottes recht ist, und hielten sich in allem streng an die Gebote und Vorschriften des Herrn.
7 Sie hatten keine Kinder, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren schon in vorgerücktem Alter.
8 Eines Tages, als seine Priesterklasse wieder an der Reihe war und er beim Gottesdienst mitzuwirken hatte,
9 wurde, wie nach der Priesterordnung üblich, das Los geworfen, und Zacharias fiel die Aufgabe zu, im Tempel des Herrn das Rauchopfer darzubringen.
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10 Während er nun zur festgelegten Zeit das Opfer darbrachte, stand das ganze Volk draußen und betete.
11 Da erschien dem Zacharias ein Engel des Herrn; er stand auf der rechten Seite des Rauchopferaltars.
12 Als Zacharias ihn sah, erschrak er und es befiel ihn Furcht.
13 Der Engel aber sagte zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet
ist erhört worden. Deine Frau Elisabet
wird dir einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Johannes
geben. 8
14 Große Freude wird dich erfüllen und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen.
15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn.
Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein.
9
16 Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren.
17 Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um
das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen.
10
18 Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist? Ich bin ein alter Mann und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.
19 Der Engel erwiderte ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen.
20 Aber weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die in Erfüllung gehen, wenn die Zeit dafür da ist, sollst du stumm sein und nicht mehr reden können bis zu dem Tag, an dem all das eintrifft.
21 Inzwischen wartete das Volk auf Zacharias und wunderte sich, dass er so lange im Tempel blieb.
22 Als er dann herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte. Er gab ihnen nur Zeichen mit der Hand und blieb stumm.
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23 Als die Tage seines Dienstes (im Tempel) zu Ende waren, kehrte er nach Hause zurück.
24 Bald darauf empfing seine Frau Elisabet einen Sohn und lebte fünf Monate lang zurückgezogen. Sie sagte:
25 Der Herr hat mir geholfen; er hat in diesen Tagen gnädig auf mich geschaut und mich von der Schande befreit, mit der ich in den Augen der Menschen beladen war.
Die Verheißung der Geburt Jesu: 1,26-38
26 Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret
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27 zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.
13
28 Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.
29 Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
30 Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
31 Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus
geben. 14
32 Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm
den Thron seines Vaters
David geben.
15
33 Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
34 Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
16
35 Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.
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36 Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat.
37 Denn
für Gott ist nichts unmöglich. 19
38 Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.
Der Besuch Marias bei Elisabet: 1,39-56
39 Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
20]//ESyn0812/<t>$ŽT://ESyn0812/Nr. 4$ŽG://ESyn0812/
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
21
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
46 Da sagte Maria:
Meine Seele preist die Größe
des Herrn, /
2223
47 und mein Geist
jubelt über Gott, meinen Retter. 24
48 Denn
auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. /
Siehe, von nun an
preisen mich selig alle Geschlechter.
25
49 Denn der Mächtige
hat Großes an mir
getan /
und
sein Name ist heilig. 26
50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht /
über alle, die ihn fürchten. 27
51 Er vollbringt
mit seinem Arm machtvolle Taten: /
Er zerstreut, die im Herzen
voll Hochmut sind; 28
52 er stürzt die Mächtigen vom Thron /
und
erhöht die Niedrigen. 29
53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben /
und lässt die Reichen leer ausgehen.
30
54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an /
und denkt an sein Erbarmen, 31
55 das er unsern Vätern verheißen hat, /
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
32
56 Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.
Die Geburt des Täufers: 1,57-80
57 Für Elisabet kam die Zeit der Niederkunft und sie brachte einen Sohn zur Welt.
33]//ESyn0812/<t>$ŽT://ESyn0812/Nr. 5$ŽG://ESyn0812/
58 Ihre Nachbarn und Verwandten hörten, welch großes Erbarmen der Herr ihr erwiesen hatte, und freuten sich mit ihr.
59 Am achten Tag kamen sie zur Beschneidung des Kindes und wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben.
34
60 Seine Mutter aber widersprach ihnen und sagte: Nein, er soll Johannes heißen.
35
61 Sie antworteten ihr: Es gibt doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt.
62 Da fragten sie seinen Vater durch Zeichen, welchen Namen das Kind haben solle.
63 Er verlangte ein Schreibtäfelchen und schrieb zum Erstaunen aller darauf: Sein Name ist Johannes.
64 Im gleichen Augenblick konnte er Mund und Zunge wieder gebrauchen, und er redete und pries Gott.
65 Und alle, die in jener Gegend wohnten, erschraken und man sprach von all diesen Dingen im ganzen Bergland von Judäa.
66 Alle, die davon hörten, machten sich Gedanken darüber und sagten: Was wird wohl aus diesem Kind werden? Denn es war deutlich, dass die Hand des Herrn mit ihm war.
67 Sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt und begann prophetisch zu reden:
68 Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! /
Denn er hat
sein Volk besucht und
ihm Erlösung geschaffen; 3637
69 er hat uns
einen starken Retter erweckt /
im Hause seines Knechtes
David. 38
70 So hat er verheißen von alters her /
durch den Mund seiner heiligen Propheten.
39
71 Er hat uns
errettet vor unseren Feinden /
und aus der Hand aller,
die uns hassen; 40
72 er hat
das Erbarmen mit den Vätern an uns vollendet /
und
an seinen heiligen Bund
gedacht, 41
73 an den Eid, den er unserm Vater
Abraham geschworen hat; /
42
74 er hat uns geschenkt, dass wir, aus Feindeshand befreit, /
ihm furchtlos dienen
75 in Heiligkeit und Gerechtigkeit /
vor seinem Angesicht all unsre Tage.
76 Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen; /
denn du wirst
dem Herrn vorangehen und ihm
den Weg bereiten. 43
77 Du wirst sein Volk mit der Erfahrung des Heils beschenken /
in der Vergebung der Sünden.
78 Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes /
wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe,
4445
79 um
allen zu leuchten,
die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, /
und unsre Schritte zu lenken
auf den Weg des Friedens. 46
80 Das Kind wuchs heran und sein Geist wurde stark. Und Johannes lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er den Auftrag erhielt, in Israel aufzutreten.