Jes 5

Das Lied vom Weinberg: 5,1-7

1 Ich will ein Lied singen von meinem geliebten Freund, /
 
ein Lied vom Weinberg meines Liebsten. Mein Freund hatte einen Weinberg /
 
auf einer fruchtbaren Höhe. 12

2 Er grub ihn um und entfernte die Steine /
 
und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben. Er baute mitten darin einen Turm /
 
und hieb eine Kelter darin aus. Dann hoffte er, /
 
dass der Weinberg süße Trauben brächte, /
 
doch er brachte nur saure Beeren. 34

3 Nun sprecht das Urteil, Jerusalems Bürger und ihr Männer von Juda, /
 
im Streit zwischen mir und dem Weinberg!

4 Was konnte ich noch für meinen Weinberg tun, /
 
das ich nicht für ihn tat? Warum hoffte ich denn auf süße Trauben? /
 
Warum brachte er nur saure Beeren?

5 Jetzt aber will ich euch kundtun, /
 
was ich mit meinem Weinberg mache: Ich entferne seine schützende Hecke; /
 
so wird er zur Weide. Seine Mauer reiße ich ein; /
 
dann wird er zertrampelt.

6 Zu Ödland will ich ihn machen. /
 
Man soll seine Reben nicht schneiden /
 
und soll ihn nicht hacken; Dornen und Disteln werden dort wuchern. /
 
Ich verbiete den Wolken, ihm Regen zu spenden. 5

7 Ja, der Weinberg des Herrn der Heere /
 
ist das Haus Israel und die Männer von Juda sind die Reben, /
 
die er zu seiner Freude gepflanzt hat. Er hoffte auf Rechtsspruch - /
 
doch siehe da: Rechtsbruch, und auf Gerechtigkeit - /
 
doch siehe da: Der Rechtlose schreit.

Sechs Weherufe über das trotzige Israel: 5,8-24

8 Weh euch, die ihr Haus an Haus reiht /
 
und Feld an Feld fügt, bis kein Platz mehr da ist /
 
und ihr allein im Land ansässig seid.

9 Meine Ohren hören das Wort des Herrn der Heere: /
 
Wahrhaftig, alle eure Häuser sollen veröden. So groß und schön sie auch sind: /
 
Sie sollen unbewohnt sein. 67

10 Ein Weinberg von zehn Morgen bringt nur ein Bat Wein, /
 
ein Hómer Saatgut bringt nur ein Efa Korn. 8

11 Weh euch, die ihr schon früh am Morgen /
 
hinter dem Bier her seid und sitzen bleibt bis spät in die Nacht, /
 
wenn euch der Wein erhitzt.

12 Bei ihren Gelagen spielt man Zither und Harfe, /
 
Pauken und Flöten; aber was der Herr tut, beachten sie nicht, /
 
was seine Hände vollbringen, sehen sie nicht. 9

13 Darum muss mein Volk in die Verbannung; /
 
denn es hat keine Erkenntnis. Seine Reichen sterben vor Hunger, /
 
die Masse der Armen verschmachtet vor Durst. 10

14 Darum sperrt die Unterwelt ihren Rachen auf, /
 
maßlos weit reißt sie ihr Maul auf, sodass des Volkes Pracht und Reichtum hinabfährt, /
 
der ganze lärmende, johlende Haufen. 11

15 Die Menschen müssen sich ducken, /
 
jeder Mann muss sich beugen, /
 
die stolzen Augen werden sich senken. 12

16 Doch der Herr der Heere ist erhaben, /
 
wenn er Gericht hält, durch seine Gerechtigkeit /
 
erweist der heilige Gott sich als heilig.

17 Dann grasen dort Lämmer wie auf der Weide, /
 
in den Ruinen weiden fette Schafe.

18 Weh euch, die ihr die Strafe wie mit Ochsenstricken herbeizieht /
 
und die Sünde wie mit Wagenseilen. 13

19 Ihr sagt: Was er tun will, das tue er schnell; /
 
er soll sich beeilen, damit wir es sehen; was der Heilige Israels plant, treffe bald ein; /
 
wir wollen es wissen.

20 Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nennen, /
 
die die Finsternis zum Licht und das Licht zur Finsternis machen, /
 
die das Bittere süß und das Süße bitter machen.

21 Weh denen, die in ihren eigenen Augen weise sind /
 
und sich selbst für klug halten. 14

22 Weh denen, die Helden sind, /
 
wenn es gilt, Wein zu trinken, /
 
und tapfer, wenn es gilt, starke Getränke zu brauen,

23 die den Schuldigen für Bestechungsgeld freisprechen /
 
und dem Gerechten sein Recht vorenthalten. 15

24 Darum: Wie des Feuers Zunge die Stoppeln frisst /
 
und wie das Heu in der Flamme zusammensinkt, so soll ihre Wurzel verfaulen /
 
und ihre Blüte wie Staub aufgewirbelt werden. Denn sie haben die Weisung des Herrn der Heere von sich gewiesen /
 
und über das Wort des Heiligen Israels gelästert. 16

Die Ankündigung der assyrischen Invasion: 5,25-30

25 Darum entbrennt der Zorn des Herrn gegen sein Volk; /
 
er streckt seine Hand aus gegen das Volk und schlägt zu. Da erzittern die Berge /
 
und die Leichen liegen auf den Gassen wie Abfall. Doch bei all dem lässt sein Zorn nicht nach, /
 
seine Hand bleibt ausgestreckt.

26 Er stellt ein Feldzeichen auf /
 
für ein Volk in der Ferne, er pfeift es herbei vom Ende der Erde /
 
und schon kommen sie eilig heran. 1718

27 Kein Müder ist unter ihnen, keiner, der stolpert, /
 
keiner, der einnickt und schläft. Bei keinem löst sich der Gürtel von den Hüften, /
 
noch reißt ein Schuhriemen ab.

28 Ihre Pfeile sind scharf, /
 
alle ihre Bogen gespannt. Die Hufe ihrer Pferde sind hart wie Kiesel, /
 
die Räder sausen dahin wie der Sturm.

29 Es ist ein Lärm wie das Brüllen des Löwen, /
 
wie wenn ein Junglöwe brüllt. Er knurrt und packt seine Beute, /
 
er schleppt sie fort /
 
und niemand reißt sie ihm weg.

30 Und es dröhnt über ihnen an jenem Tag /
 
wie das Brausen des Meeres. Wohin man blickt auf der Erde: /
 
nur Finsternis voller Angst; /
 
das Licht ist durch Wolken verdunkelt. 19

1 ℘ (1-7) Mt 21,33-43
2 Als Weinstock und Weinberg des Herrn (Jer 2,21; Ez 15; Ps 80,9-16) wird Israel bezeichnet. Das Weinberglied beginnt wie ein Liebeslied und wird dann zum Gerichtswort.
3 ℘ 27,2-4; Jer 2,21
4 Die Kelter war ein im Felsen ausgehauener Steintrog.
5 ℘ 7,23-25
6 ℘ 6,11
7 hören: ergänzt nach G. - Die Strafe entspricht, auch im folgenden Wehruf (VV. 13f), dem Vergehen (V. 10).
8 Morgen, wörtlich: Joch, Gespann.
9 ℘ Ijob 21,12; Am 6,5f
10 sterben: Text korr. nach den alten Übersetzungen. - die Masse der Armen, wörtlich: seine Masse.
11 ℘ Hab 2,5
12 ℘ 2,9.11.17
13 18a: mit Ochsenstricken: Text korr. in Anlehnung an V. 18b.
14 ℘ Spr 3,7; Röm 12,16
15 ℘ Ex 23,7f; Spr 17,15
16 ℘ Joël 2,5; Ijob 18,16
17 ℘ Jer 5,15; Jes 7,18
18 für ein Volk: Text korr.; Einzahl wie Jer 5,15. Gemeint sind die Assyrer (vgl. 7,18-20; 10,5-19). Diese fielen zwischen 735 und 701 v. Chr. mehrmals in Palästina ein.
19 ℘ 8,22