Das Buch erzählt von einem frommen Israeliten namens Tobit, der nach dem Untergang des Nordreichs Israel in Assyrien lebt und während einer schweren Glaubensprüfung die Hilfe seines Gottes erfährt. Tobit, der seinen Stammesbrüdern in der Fremde nach besten Kräften und selbst unter Lebensgefahr jede Art von Barmherzigkeit erweist, wird vom Unglück verfolgt. Auf der Flucht vor dem Zugriff der staatlichen Behörden büßt er seine Habe ein und verliert durch ein Missgeschick auch noch sein Augenlicht. Statt Mitleid und Liebe erfährt er von seiner Frau nur Vorwürfe und bittere Verkennung (Kap. 1 - 3). In dieser Not schickt Gott seinen Engel Rafael zu Hilfe. Dieser begleitet Tobias, den Sohn Tobits, auf einer gefahrvollen Reise nach Medien, gewinnt ihm dort Sara, die einzige Tochter des reichen Raguël, zur Frau und heilt schließlich Tobit von seiner Blindheit (Kap. 4 - 12). Ein Lobpreis des Rettergottes und Ermahnungen Tobits an seinen Sohn schließen das Buch ab (Kap. 13 und 14).
Das Buch hat nicht die Mitteilung wirklich geschehener Ereignisse, sondern religiöse und sittliche Unterweisung zum Ziel. Der Erzähler versetzt Tobit zwar in das Exil Israels nach Assyrien, doch hat er deutlich das Exil Israels zu einer viel späteren Zeit im Auge: Er denkt an die Weltdiaspora, in der sich Israel nach dem Untergang des davidischen Reichs und nach dem Verlust seiner politischen Selbständigkeit befindet. In dieser Diaspora steht der Angehörige des Gottesvolkes oft allein; er lebt dort ohne den Schutz eines eigenen Staatswesens, ist der Willkür fremder Herrscher ausgeliefert und durch die Berührung mit einer heidnischen Umwelt gefährdet. Auf die Frage, wie sich in dieser Lage der einzelne Gläubige verhalten soll, um die Hilfe seines Gottes zu erlangen, antwortet das Buch Tobit, indem es am Beispiel eines frommen Israeliten die entscheidenden Voraussetzungen für das Eingreifen Gottes darstellt. Die literarische Art des Buches ist daher als Lehrschrift im Gewand einer geschichtlichen Erzählung zu bestimmen.
Die theologische Bedeutung des Buches ist in der Glaubensüberzeugung zu sehen, dass jeder Israelit in den Nöten der Weltdiaspora die rettende Hilfe seines Gottes erfahren kann, wenn er in Treue zu diesem Gott und seinem Gesetz, aber auch zum Gottesvolk und den Überlieferungen der Väter steht. Das Buch ist auch bedeutsam geworden für die Lehre von den Schutzengeln.
Das Buch Tobit ist uns in griechischer Sprache überliefert und wahrscheinlich im 2. Jahrhundert v. Chr. in Palästina verfasst worden. Die in Qumran gefundenen hebräischen und aramäischen Fragmente sind noch nicht endgültig ediert.
Einleitung: 1,1-2
1 Buch der Geschichte Tobits. Tobit war der Sohn Tobiëls, des Sohnes Hananels, des Sohnes Aduëls, des Sohnes Gabaëls. Er gehörte zum Geschlecht Asiëls und zum Stamm Naftali.
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2 Zur Zeit des assyrischen Königs Salmanassar wurde er als Gefangener aus Tisbe verschleppt, einem Ort südlich von Kedesch-Naftali in Galiläa, oberhalb Hazor.
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Die Anfechtung und Not Tobits: 1,3 - 3,17
Tobit in der Heimat: 1,3-9
3 Ich, Tobit, habe mich mein ganzes Leben lang an den Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit gehalten und ich habe den Brüdern aus meinem Stamm und meinem Volk, die mit mir zusammen in das Land der Assyrer nach Ninive gekommen waren, aus Barmherzigkeit viel geholfen.
4 Als ich noch in meiner Heimat im Land Israel lebte - ich war damals ein junger Mann -, sagte sich das ganze Geschlecht meines Stammvaters Naftali vom Tempel in Jerusalem los. Jerusalem war die Stadt, die aus dem ganzen Stammesgebiet Israels auserwählt worden war, damit alle Stämme dort ihre Opfer darbrachten; dort war der Tempel, die Wohnung des Allerhöchsten, für alle Geschlechter und für alle Zeiten geweiht und gebaut worden.
5 Alle Stämme, die sich losgesagt hatten, opferten dem Stierbild des Baal, auch das Geschlecht meines Stammvaters Naftali.
6 Nur ich zog immer wieder zu den Festen nach Jerusalem, wie es ganz Israel durch ewige Satzung vorgeschrieben ist. Ich brachte die Erstlinge, die Zehnten der Feldfrüchte und die Wolle von der ersten Schafschur mit
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7 und gab sie den Priestern, den Söhnen Aarons, für den Altar. Den ersten Zehnten aller Feldfrüchte gab ich den Leviten, die in Jerusalem Dienst taten. Den zweiten Zehnten verkaufte ich und verwendete den Erlös alljährlich für meine Wallfahrt nach Jerusalem.
8 Den dritten Zehnten gab ich denen, für die er bestimmt war, wie es Debora, die Mutter meines Vaters, geboten hatte; denn ich war nach dem Tod meines Vaters völlig verwaist.
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9 Als ich ein Mann geworden war, heiratete ich Hanna, die aus dem Geschlecht unseres Vaters stammte, und wir bekamen einen Sohn, den wir Tobias nannten.
Tobit in der Verbannung: 1,10-22
10 In der Gefangenschaft in Ninive aßen die Brüder meines Stammes und alle Leute meines Volkes von den Speisen, die auch die Heiden aßen.
11 Ich aber hütete mich, davon zu essen,
12 denn ich dachte mit ganzem Herzen an Gott.
13 Der Höchste schenkte mir Gunst und Ansehen bei Salmanassar und ich wurde Einkäufer am Hof.
14 Dabei kam ich auf einer Reise auch nach Medien und vertraute Gabaël, dem Bruder des Gabrija, in der Stadt Rages in Medien zehn Talente Silber zur Aufbewahrung an.
15 Als Salmanassar starb, wurde sein Sohn Sanherib an seiner Stelle König. Seine Regierungszeit war von Unruhen erfüllt und ich konnte nicht mehr nach Medien reisen.
16 Schon zur Zeit Salmanassars hatte ich den Brüdern meines Stammes aus Barmherzigkeit viel geholfen:
17 Ich gab den Hungernden mein Brot und den Nackten meine Kleider; wenn ich sah, dass einer aus meinem Volk gestorben war und dass man seinen Leichnam hinter die Stadtmauer von Ninive geworfen hatte, begrub ich ihn.
18 Ich begrub heimlich auch alle, die der König Sanherib hinrichten ließ, nachdem er wie ein Flüchtling aus Judäa heimgekehrt war. Denn viele ließ er in seiner Wut hinrichten. Wenn aber der König die Leichen suchen ließ, waren sie nicht mehr zu finden.
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19 Ein Einwohner von Ninive ging jedoch zum König und erstattete Anzeige; er sagte, ich sei es, der sie begrabe. Deshalb musste ich mich verstecken. Als ich erfuhr, dass man mich suchte, um mich zu töten, bekam ich Angst und floh.
20 Damals wurde mir meine ganze Habe geraubt und es blieb mir nichts mehr als nur meine Frau Hanna und mein Sohn Tobias.
21 Doch es dauerte nicht einmal fünfzig Tage, da wurde Sanherib von seinen beiden Söhnen ermordet. Sie mussten in das Gebirge Ararat fliehen, aber dann wurde sein Sohn Asarhaddon an seiner Stelle König. Er machte Achikar, den Sohn meines Bruders Hanaël, zum Herrn über das ganze Rechnungswesen und die ganze Verwaltung seines Reiches.
22 Weil Achikar ein gutes Wort für mich einlegte, durfte ich nach Ninive zurückkehren. Achikar war Mundschenk und Siegelbewahrer sowie Bevollmächtigter für die Verwaltung des Reiches und das Rechnungswesen. Asarhaddon hatte ihm, meinem Neffen, die zweithöchste Stelle in seinem Reich verliehen.